Gebäude-Expedition
(Korridor)
Durch den Portikus betreten wir das alte Gemäuer. Wenn Eingangsportale sprechen könnten, wer hier in einem Jahrhundert alles über Treppen und Schwelle hereinspaziert und stolziert ist, welche Menschen und welche konträren Gesellschafts-Systeme das Haus während der langen Existenz überdauert hat. Ein älterer Herr vom örtlichen Hasenzüchterverein berichtete uns, wie russische Generäle hier einst ihren Stammtisch abhielten im „Gasthaus an exponierter Stelle“ und einige Bewohner von Großräschen erzählten, wie seinerzeit geladene Gäste aus der gesamten deutsch demokratischen Republik mit Bussen zur Erlebnisgaststätte getourt wurden. Ferner wurde uns berichtet, auch so mancher Amtsträger plantschte zu nächtlicher Stunde im Mexikanischen Bad im Erlebnisgarten des Herrn Acksel, bevor er später als Verantwortlicher mit der Wende einen ganzen Staat verramschte. Viel beachtlicher ist unser Augenmerk gerichtet auf: Was war hier los in den goldenen 20ern des letzten Jahrhunderts? Als Josephine Baker im Bananenröckchen die westliche Unterhaltungswelt mit ihrem Charleston verzauberte, im Jahr 1926 tanzte sie auch in Berlin. Und was war hier los in der dunklen Epoche von 1933 bis 1945? In den 50er- und 60er Jahren? In Berlin wurde die Mauer gebaut, West gegen Ost stand Kopf und hier im Hotel wurde das Tanzbein geschwungen? Nun erkunden wir gemeinsam mit Ihnen das Gebäude im Jahr 2019. Eine Nacht im November, es ist kalt und nass draußen. Das Gebäude hat keine funktionierende Heizanlage, obwohl überall Radiatoren installiert sind, ein Handwerkerangebot aus unserer Nachbarschaft ist ausständig.
Amadeus: „Boss, warum haben wir die Gebäude Expedition Erdgeschoss auf Mitternacht terminiert?“
Holger: „Damit wir das Fluidum des Bauwerks intensiver spüren als tagsüber.“
Amadeus: „Und warum mit einer Taschenlampe?“
Holger: „Nachts, mit einem Lichtkegel unterwegs zu sein, ist auch für uns eine ungewohnte Optik. Eine besonders stille Atmosphäre, wir wollen das Denkmal atmen hören. Und zudem haben wir nicht zu allen Räumen im Erdgeschoss freien Zugang durch den Pächter. Wenn wir schon tagsüber keine ordentlichen Fotos vom Restaurant machen dürfen, dann hat er uns zumindest bei Nacht zugesagt.“
Der Korridor im Erdgeschoss
Hinter der Eingangstür befindet sich ein geräumiger Durchgangsflur mit hoher Decke. Vorn links gelangt man durch eine massive Flügeltür mit Wandpaneelen in das Restaurant und den dahinter befindlichen Spiegelsaal. Auf der rechten Seite ist die sanitäre Anlage. Der Flur endet mit einer verglasten Flügeltür aus hellem verziertem Holz. Diese Tür muss restauriert werden. Für die Denkmalpflege dokumentiert die Gesamtheit dieses Raumes die langjährige Gasthaustradition des Hauses.
Amadeus: „Gänsekeule, Klöße, Rotkohl, auf Vorbestellung. Das gute Essen wird mir fehlen.“
Holger: „Ab 02. Januar 2020 ist das Restaurant bis auf weiteres geschlossen. Das Restaurant muss ausglühen für einen echten Neustart.“
Amadeus: „Nach 23 Jahren ein und der selbe Pächter. Was für eine lange Zeit, fasst eine Generation und fasst die gleiche Zeitspanne als Herr Acksel davor. Und dazwischen waren Vandalen hier im Haus einquartiert und betrieben eine Spielhölle.“
Holger: „Zumindest Kaufleute, die von ihrer Versicherung die Kosten der Reparatur eines Wasserschadens im Salon kassierten und die Sanierungsmaßnahme nie haben durchführen lassen!“
Im Durchgangsflur befinden sich zwei große Wandspiegel. Beide haben weiße Holzrahmen, einer von beiden ist schon sehr alt und erinnert an eine rustikale Hafenkneipe, dieser Spiegel mit neuem Glas symbolisiert im Gesamtbild Hochzeit, Liebe und Fröhlichkeit, Lebenskraft und Lebensfreude. Die festliche Tradition des Hauses mit alten Fundstücken für unsere Gäste plakatiert und seitlich davon, wie wir als Hotel & Gastronomiebetrieb thematisch die Zukunft anpacken; künftig eine echte Alternative zur Hochzeitsfeier am See! Der zweite Spiegel, mit schwarzer Borde umgeben, steht für die Trauer der biologischen Vergänglichkeit und im Trost eines Neuanfangs für den verstorbenen Menschen. Zusammenfinden und gemeinsam Abschied nehmen, im Restaurant Hotel Altstadt fanden in den vergangenen Jahren viele Trauerfeiern statt. Es gibt sogar schwarze Kerzen als Tischdekoration. Hochzeiten fanden schon lange keine mehr statt, bei manchen Geburtstagsfeiern hingegen wackelt das Haus bis in das Dach hinauf.