Gebäude-Expedition

(Unterwelten)

Nun betreten wir treppab einen trockenen, warmen und nicht nach Moder riechenden Keller. Erwähnt werden darf, dass das Untergeschoss wie die restlichen Räume des Hauses maximal mit Unrat geflutet waren. Wohlstandsmüll in dekadenter Form gesammelt. Erst als wir den „Zeitgeist des Gerümpels“ entschlossen mit Schutzbrille und lärmbetäubender eingeschalteter Flex herausforderten, öffnete sich das massive Schloss des Gatters durch den herbeigeeilten Schlüsselmeister, den Ex-Pächter des Restaurants. Wir fanden Schätze für unser Archiv für Nachhaltigkeit und tolle Dekorationen für unser Treppenhaus.

Der Keller hat acht Räume, jeder Raum hat seine betriebswirtschaftliche Bestimmung. Wir nennen den Keller „Altstadt Unterwelten“, weil dieser als solcher zu verstehen ist. Herr Acksel, der Erlebnisgastronom zu DDR-Zeiten, soll einst im Keller ein menschliches Skelett zu Schauzwecken aufbewahrt haben, um seinen ausgewählten Gästen „das Skelett im Keller“ zu zeigen. Spätestens seit der studierte Mediziner Herr Gunther von Hagens in unser kollektives Leben getreten ist, sind wir angstfrei beim Anblick eines Skeletts; vielmehr beängstigt uns jetzt ein Plastinator.

Nach Herabschreiten der Treppenstufen umhüllt Sie ein neonbeleuchteter Gang. Auf der rechten Seite führt eine Gattertür in zwei Kellerräume, in denen künftig die Hauswirtschaft (House Keeping) und die Wäscherei untergebracht sind. Aktuell ist die Hauswirtschaft noch in einem Dachzimmer untergebracht und die Wäscherei bei der fürsorglichen Mutter vom Boss in guten Händen. Mit einer Kapazität von 12 Übernachtungsgästen und dem Textil aus den Gastrowelten waschen wir künftig selbst im Haus. Hotelbetriebe ab einer bestimmten Größenordnung gliedern den Bereich Wäscherei gerne aus, nutzen Leihwäsche, dies mag vernünftige Gründe haben. Dort kommt regelmäßig ein Lieferwagen mit industriell gereinigter Bettwäsche und Handtüchern und holt den Schmutz ab. Mit kleinem Bedarfs-Kontingent waschen wir hotelintern.

Aktuell werden die beiden Räume der Hauswirtschaft als Holzlager genutzt, trocken und warm, sowie einiges Baumaterial von der Theke im Salon. Diese beiden Kellerräume sind mit vielen Anekdoten aus der Acksel-Zeit behaftet. Dem Rekonstruktionsbüro kann zwar keiner genau sagen, wohin die ganzen Rohre in den beiden gefliesten Räumen führen, für was die ganzen Rohre sind, wirklich wichtige Grundlagen für die Baumaßnahmen, aber, dass hier unten in der Erlebnisgaststätte des Herrn Acksel nach Mitternacht Partys auf genitaler Ebene stattfanden, weiß wohl jeder Zeitzeuge mit einem Lächeln zu berichten.

Gegenüber den beiden Räumen der Hauswirtschaft befindet sich die Hauswerkstatt. Für jeden Wechsel eines Leuchtkörpers, Sanitär-Reparatur, defekter Lichtschalter tauschen, Spiegel-, Polster-, Stofftapete und Bodenbelag kleben, Stühle-, Tische-, Schubladen-, Fenster reparieren, ein Möbelstück verleimen, in der Küche die Silikonfuge frisch nachziehen, für diese Arbeiten wird nicht jedes Mal ein externer Dienstleister ins Haus gerufen. Daher haben wir die Hauswerkstatt eingeführt. Oder, in der schönen Sprache der gehobenen Hotellerie als „Atelier-Concierge“ bezeichnet, stets arbeitsam und werkdienstlich mit Reparaturauftrag im Hotel Altstadt unterwegs. Einst war die Hauswerkstatt im Dach, zog dann nach Abschluss einer zähen Räumung und Kärcher-Aktion in den Keller. In diesem Raum blockiert aktuell ein zweifach undichtes, dickes Abflussrohr die weitere Entwicklung der Einrichtung. Alles Werkzeug für Holz, Metall, Elektro und Sanitär soll in ein speziell konstruiertes Schranksystem eingebunden sein, optisch einer alten Apotheken-Logistik ähnelnd (Holz in schwarz/lack). Das Abflussrohr muss getauscht und im Durchmesser verkleinert werden, dann bringen wir System in die Hauswerkstatt.

Ein völlig anderes Ordnungssystem entdecken Sie einen Raum nebenan, im Archiv für Nachhaltigkeit. Hier sind alle Gegenstände aus dem Hausfundus langzeitverpackt, das Verpacken wurde zu einer eigenen Disziplin. Jeder Gegenstand verkörpert ein langes Dasein, hier wird Nachhaltigkeit archiviert. Dieses Archiv hat für uns ein bisschen den Charakter eines spirituellen Raums, hier lagern Zeitkapseln und eine Momentaufnahme der Zukunft, wenn Nachhaltigkeit einen großen Raum in den Köpfen der Menschen eingenommen hat.

Der kleine Raum neben dem Archiv ist das Lager für Gastrosachen, Weihnachts- und Oster-Dekoration.

Im großen gefliesten Raum nebenan sind derzeit die einzelnen Bestandteile der „Kaiserdusche“ deponiert. Diese schrille linoleumbasierende Großraumdusche aus den 50er Jahren hat uns aus Berlin beglückt, wir wollten dieses Unikum im Kaiserzimmer einbauen, leider ist der Platz dafür nicht ausreichend.

Im hinteren Raum drohnt die ausrangierte, alte Heizungsanlage. Man soll es nicht für möglich halten, dieser Industriekasten ist nicht aus der Gründerzeit, oder Nachkriegszeit, wie optisch fälschlich zu taxieren, sondern Baujahr 1988, produziert in Polen. Derzeit wird die Anlage demontiert, eine sehr schmutzige, fettige und ölige Arbeit. Teile der Außenverkleidung werden Dekorationsgegenstände für den Keller.

In einem kleinen Raum, direkt unter der Theke des Restaurants befindet sich die Zapfanlage. Ein dicker Schlauch, der in der Gastronomie „Python“ genannt wird, versorgt die Theke mit Fassbier und künftig wohl auch mit Fassbrause (folgt man der Empfehlung von Getränke Schönherr, einem regionalen Dienstleister). Die jetzige Zapfanlage ist Schrott, wie alle anderen Kälte-Technikgeräte!

Geschafft! Endlich führt unser blumiges Kulturprogramm wieder an die frische Luft, an den schönen See. Wir besichtigen den Großräschen See, den Hafen, den Landungssteg und all das, was Ihnen kein Reiseführer so detailliert berichtet. Wenn Sie als Gast Großräschen besuchen und künftig im Hotel Altstadt einkehren (wir bitten darum), dann wünschen wir uns von Ihren Eindrücken und Schilderungen über die Örtlichkeit zu erfahren.
Aus dem Keller geht es geradewegs zum Willkommen am See in Großräschen mit 771 Hektar Wasseroberfläche.

Galerie Keller Unrat

Galerie Keller Rundgang 2019